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Weniger Suche nach Sinn, mehr Spaß bei der Arbeit

Immer mehr Klienten kommen ins Coaching, um Hobbys, Jobs oder andere Tätigkeiten zu finden, die sinnvoll für sie sein und sie dadurch glücklicher machen sollen.

Von Sinn, Grundschulkindern und LinkedIn

Sinn. Das ist das große Versprechen von New Work. Studien zeigen seit Jahren, dass immer mehr Menschen Sinn in ihrem täglichen Tun erleben wollen. Und Unternehmen antworten: mit „Mission Statements“ und entsprechenden Stellenausschreibungen.

Die „Aktion Schulstunde“ des RBBs richtet sich mit ihren Onlinematerialien an Kinder in den Klassenstufen 3-6. Eine Einheit heißt: „Arbeit und Sinn“. Dort heißt es: „Nicht immer arbeiten Menschen nur, um Geld zu verdienen. […] Viele wollen mit ihrer Arbeit etwas Sinnvolles tun. Was also macht Arbeit schön?“ Die Frage, die sich mir stellt ist daher, ob Arbeit ohne einen tieferen Sinn nicht schön sein kann? LinkedIn, als Plattform für die berufliche „Identität“, scheint zumindest eine Antwort darauf zu geben.

Der Mensch sucht nach dem großen Ganzen in der eigenen kleinen Welt. Arbeit als Erfüllung und zur Selbstverwirklichung. Und es ist ja auch logisch: sehen wir einen höheren Sinn in dem, was wir tun, fühlen wir uns weniger ersetzbar. Vielleicht ist die Sinnsuche am Ende ein menschliches und daher auch ein, zumindest etwas, egoistisches Maxim. Wir helfen uns selbst, indem wir uns besser fühlen, wenn wir anderen helfen dürfen.


Sinn lass nach

Wo liegt also das Problem, wenn wir nach Sinn in unserem Tun streben, wenn wir daraus so viel für uns und andere gewinnen? Ganz simpel gesagt: Zu viel Sinnsuche macht krank. Wenn wir in unseren Tätigkeiten keinen tieferen Sinn erkennen, auch nach langer Suche, unser ganzes Umfeld aber gefühlt danach verlangt, hat dieser ständige purpose-Alarm häufig eine Burn-out-Garantie. Wir stressen uns mit dem Gefühl, dass wir nicht so viel gesellschaftlichen Wert generieren, wie die Freunde, die vielleicht bei NGOs, Startups und im Tierschutz arbeiten und vielleicht sogar dafür schlechteres Gehalt akzeptieren. Das zeigt das erneut erhöhte Niveau der krankheitsbedingten Fehlzeiten der DAK. Der Grund: ein erneuter Anstieg bei den psychischen Erkrankungen.

Vielleicht sollten wir daher weniger über Sinn bei der Arbeit reden, sondern viel mehr über die enorme Gleichzeitigkeit, die bei vielen heute im Job vorherrscht. Unzählige To-Dos sind parallel zu managen, Familie und Job unter einen Hut zu bringen und eine kleinste zusätzliche Aufgabe bringt das Kartenhaus zum einstürzen. Wir sind im Epizentrum vom Stress. Ruhe ist etwas, wonach wir uns kollektiv immer mehr sehnen.


Mal eine entspannte Runde um den Block – aber bitte schnell

Und warum? Weil wir häufig meinen, besser als die anderen sein zu müssen, besonders viele Aufgaben schaffen zu können, ein hohes Gehalt benötigen, um glücklich zu sein oder eben mehr Sinn als unser Umfeld mit unseren Tätigkeiten stiften zu müssen. Im System der Einzigartigkeit, in welchem wir heute leben, hat alles – auch die Entspannung – immer einen Zweck, um etwas zu erreichen. Jeder ist der Leistungssportler seines Lebens. Eine metaphorische Runde um den Teich joggen, einfach nur weil man Freude am Sport hat, macht heute keiner mehr. Alle wollen möglichst weit laufen und Bestzeiten generieren. Durchschnitt möchte keiner mehr sein. Und einfach mal etwas zu tun, das sich gut anfühlt, einfach weil es sich gut anfühlt, gibt es kaum noch.

Ich war Leistungssportlerin. Ich war gut. Ich war aber nicht großartig. Obwohl ich besser wurde, stets fleißig trainierte und das Training meinem immer wachsendem Wissens- und Leistungsstand anpasste, gab es immer noch bessere Personen. Andrea Petković spricht von diesem Phänomen insofern, dass auf jedem Niveau Unterschiede in besser und schlechter bestehen bleiben. Auch, wenn sich der Kreis der Exzellenz verdichtet. Denn diejenigen, die – meist mit weniger Aufwand als ich – besser waren, hatten einen Vorteil: das Laufen war ihr natürlicher Zustand. Sie mussten nicht über alles nachdenken, alles genau analysieren. Sie liefen zum Großteil einfach. Und waren daher einfach richtig gut. Diese Lektion war schwer zu akzeptieren, aber notwendig, um die Tätigkeiten zu finden, die mir einfach leicht fallen. Eine Lektion, die mir heute noch häufig hilft, immer wieder Altes loslassen zu können, Neues zu finden und „meine“ Dinge in meinem Leben zu verankern.


Der Sinn in der simplen, egoistischen Freude an etwas

Wisssensakkumulation ist unfassbar wichtig zum Weiterkommen und Wachsen. Und als Coach bin ich überzeugt, dass dieses Wachstum-Mindset wichtig im Leben ist. Aber wenn wir keine ehrliche Freude an etwas haben oder an Dingen festhalten, in denen wir nie wirklich richtig gut sein werden, weil wir uns die Gründe dafür nicht eingestehen wollen, werden diese Dinge uns nie richtig erfüllen. Etwas wird immer fehlen.

Einfach mal Spaß an etwas zu haben, scheint da doch wie ein guter Anfang, oder? Spaß ist essentiell, um auch mal anhaltende Tiefs mit Motivation durchstehen zu können. Nicht immer liegt ein tieferer Sinn in jeder Tätigkeit. Manchmal reicht es auch aus, dass wir Spaß an der Tätigkeit haben, die uns unser Einkommen generiert. Und das kann durch viele Faktoren entstehen: Flexibilität, Eigenverantwortung, Raum für Kreativität, gute Kollegen, toller Chef, passende Firmenkultur…

Haben wir schlicht keinen Spaß bei der Arbeit, erklären wir unsere Unzufriedenheit daher heute häufig mit fehlendem Sinn. Dieses Modewort ist gemeinhin akzeptiert. Und das Schöne ist, dass wir uns vor anderen für unsere Unzufriedenheit nicht rechtfertigen müssen. Stattdessen zeigen wir, dass wir nach etwas mit einem höheren Sinn für die Allgemeinheit streben und nicht nach unser eigenen, egoistischen, Freude. Denn wer möchte in dieser Gesellschaft heute schon als egoistisch gelten?

Aber vielleicht ist ein erster Anfang für eine größtenteils zufriedenstellend Arbeit genau das: weniger Sinnsuche und mehr fragen, was einem denn wirklich ehrliche Freude bereitet. Und vielleicht ist das dann schon Sinn genug.

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