Vorteile von Tieren im Coaching
Polly und Floki wartend bei meinem Hippotherapiepferd Hary
Die positiven Wirkungen des Kontakts mit Tieren sind mittlerweile unbestritten. In zahlreichen Studien wurde die Endorphinproduktion, eine Normalisierung des Blutdrucks, eine Verminderung von Angst und Stress, die Verbesserung der Stimmung und ein Entspannungseffekt nachgewiesen. Aus diesem Grund frage ich alle meine Coachees, welche ich bei mir begrüßen darf, ob sie Angst vor Hunden haben oder ob meine beiden während des Treffens auf ihren Plätzen anwesend sein dürfen.
Zudem ist es erwiesen, dass eine gute Beziehungsebene zwischen Coach und Coachee viel entscheidender ist, als die Verwendung bestimmter Methoden. Denn es braucht es ausreichend Signale, die dem Menschen Sicherheit vermitteln, um sich in einem Coachingprozess außerhalb der Komfortzone zu trauen.
Das Einbringen von Tieren in einem Coachingprozess ist daher eine Hilfestellung für die Betroffenen, um einen Zugang zum eigenen Schmerz zu finden und um durch diesen Schmerz einfacher hindurchgehen zu können.
So auch bei einem meiner Coachings mit einem jungen Mädchen, welches sich verwehrte sowohl ihre Schulaufgaben zu erledigen als auch mit ihren Eltern oder Lehrern über ihre Herausforderungen zu reden. Die Eltern kamen auf mich zu und gemeinsam beschlossen wir, dass der Prozess als „Nachhilfe“ für das Mädchen beginnen sollte. Aufgrund meines Studiums und der Tätigkeit als Vertretungslehrerin an einem Gymnasium bot es sich an und es erschien sinnvoll, dem Mädchen einen Anknüpfpunkt zu geben, unter dem sie sich etwas vorstellen konnte.
Beim ersten Treffen hatte ich noch meinen Tierschutzhund Floki dabei. Das tierliebe Mädchen saß stumm mit verschränkten Armen an ihrem Schreibtisch – schaute aber immer wieder auf den neben mir liegenden Hund. Ihre Abweisung respektierend, sprach ich sie nicht direkt an, sondern sagte zu Floki: „Siehst du, unsere Gastgeberin ist ein genauso starker Charakter wie du, als du damals zu mir kamst. Sie kann auch gut auf sich aufpassen.“
Abwehrstrategien sind häufig der einzige Handlungsspielraum, den ein Mensch in großer Unsicherheit sieht. Da es sich hier aber um ein Coaching einer Jugendlichen und explizit keine Therapie einer Krankheit handelte, sah ich – in Absprache mit den Eltern – keinen Sinn darin, ihr das offenbar letzte Gefühl eigener Ermächtigung nehmen zu wollen.
Das Mädchen sah zuerst Floki und dann mich erstaunt an. Ihre Augen waren groß und sie zeigte offen ihr Misstrauen. Sie befürchtete wohl ausgetrickst oder manipuliert zu werden.
Um ihr zu zeigen, dass ich meinen Respekt ihrer Abwehr gegenüber ernst meinte, legte ich ihr ein paar mitgebrachte Stifte und Papier hin und begann selbst für mich zu malen.
Sie saß weiter mit verschränkten Armen da und begann mit den Füßen zu tippen. Wohl, weil ich nicht reagierte, begann sie fester aufzutreten und irgendwann sogar zu stampfen.
Floki war eingedöst, aber wachte dadurch erschrocken auf. „Es ist alles in Ordnung“, sagte ich zu dem großen Hund. „Sie darf tun, was sie gerade braucht.“
Das Mädchen stellte das Stampfen ein und scannte mich von oben bis unten, als wollte sie prüfen, ob ich das, was ich sagte, wirklich ernst meinte.
Dann begann sie sich umzusehen, blieb lange mit ihrem Blick auf Floki hängen, beugte sich irgendwann seufzend über das Papier und begann zu malen.
So malten wir eine ganze Weile stumm nebeneinander her, immer mit dem dösenden Hund neben uns.
Nach dieser „Nachhilfestunde“ wollte sie sich freiwillig wieder mit mir (und Floki) treffen. Vermutlich, weil sie mir gegenüber ihre Abwehrstrategie nicht verteidigen musste, gegen die ihr Umfeld bisher aus Sorge massiv vorgegangen war.
In der zweiten Stunde sprachen wir über das Bild, welches sie gemalt hatte. So konnten wir einen tollen Prozess beginnen, in dem ihre Abschottung immer mehr kleine Risse bekam. Sie lernte, sich in sich selbst sicherer zu fühlen und wieder mit ihren Eltern und Lehrern zu sprechen.
Floki wurde so etwas wie eine Brücke zwischen uns, da er ihre Abwehrstrategien immer wieder ins Wanken brachte, indem sie ihn streicheln oder als Thema zum Unterhalten nutzen konnte, wenn andere Themen für sie noch zu schwer waren. Und auch ich konnte für viele indirekte Ansprachen oder Vergleiche auf den rumänischen Tierschutzhund verweisen.
Häufig wird der Fehler gemacht, kontrollierend auf den anderen einzugehen, den man unterstützen möchte, und dabei zu viel Druck und Kontrolle auszuüben. Das geschieht, wenn man ein festes Ziel vor Augen hat und nicht nur eine gute Absicht oder sich Coachees, wie hier gezeigt, einer Interaktion verwehren.
Das wohl Wesentlichste, was mir in der Arbeit mit meinen Tieren verschiedener Arten aufgefallen ist, dass sie versuchen, sich so aufeinander zu beziehen, dass keine Ressourcen verloren gehen, sondern erhalten bleiben. So wird ein schüchterner Hund von anderen dazu ermutigt, sich in eigenem Tempo mit der Umwelt auseinanderzusetzen. Ein draufgängerisches Pferd hingegen wird von ruhigeren Pferden begrenzt, wenn sie zu hektisch werden, lassen das Temperament dennoch zu.
Es gibt Menschen, die eine so große Abwehr und Angst haben, dass sie sich selbst mit dieser Anspannung blockieren. Die Erfahrung von echtem Halt von Außen durch eine stabile Person oder auch einem Tier kann dann viel in ihnen bewegen.
Obwohl vollkommen klar ist, dass man Tiere nicht 1 zu 1 mit den Menschen vergleichen kann, bricht deren klare und einfache Art vieles auf Zusammenhänge herunter, die in der menschlichen Kompliziertheit kaum noch zu erkennen sind.
Ich lade daher jeden meiner Coachees ein, mit seinem eigenen oder einem meiner Tiere im Coaching zu arbeiten, wenn er sich in sich selbst unsicher fühlt und diese Art von Selbstentwicklung gerne einmal selbst erfahren möchte.
Polly bei zwei Coachingterminen